june 2022 – Erbertplatz, Köln
Konzept und Choreographie: Malin Harff
Performance und Gesang: Vivien Kovarbasic, Maria Sauerland, Miriam Arnold, Amanda Romero
Dramaturgie :Vivien Kovarbasic, Maria Sauerland, Miriam Arnold, Amanda Romero
Sound Design: Joel Jaffe
Kostümbild: Dorothea Mines
Stimmcoach: Anna Stijohann
Produktionsleitung: Wayne Goetz
Film und Design: Ramin Aryaie
Was bleibt 77 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg? Nicht-Sprechen, Nicht-Fühlen, Nicht-Annähern – präsent ist unsere Vergangenheit vor allem im Abwesenden. Wann auch immer die Sprache auf diesen Teil unserer Geschichte kommt, breitet sich Gefühllosigkeit aus. Körper werden taub, wie einbetoniert. Im Wechselspiel werden bedrückende Enge und erleichternde Leere spürbar. Wir leben in einer Realität, die geprägt ist von einer verzerrten Opfer-Perspektive auf die eigene Vergangenheit, dabei wird gleichzeitig die Kontinuität rechter Gewalt immer sichtbarer. Wie kommen wir aus diesem Stillstand raus?
In DIGGING THE GROUND setzen sich Malin Harff and Collaborators im öffentlichen Raum mit dem verdrängten emotionalen Erbe unserer gemeinsamen Vergangenheit auseinander. Denn die traumatischen Spuren der NS-Zeit sitzen in unseren Körpern fest.
4 Stunden lang graben sich 4 Performer:innen mit Täter:innen-Hintergrund durch eine Grünfläche des Ebertplatzes. Nach und nach lassen sie dabei verschüttete Emotionen an die Oberfläche kommen. In einer akustischen und choreografischen Performance werden Trauer und Wut, Angst, Scham und Ekel freigesetzt, um sie endlich bearbeitbar zu machen.
Erde dient in dieser performativen Intervention als Subjekt und Symbolträgerin dessen, was tief in uns vergraben ist. Dessen, was wir wiederholen, ohne durcharbeiten zu können. Der Boden auf dem wir stehen, ist, im doppelten Sinn, ein Sediment von Vergangenheitsschichten und tief im menschlichen Nervensystem vergrabenen Erlebnissen und Erinnerungen. Und gleichzeitig ist er die Basis für unsere Zukunft.
Denn unbearbeitete Traumata reproduzieren immer wieder abwehrende Schutzreaktionen. Traumata können wir aber nicht bearbeiten, indem wir uns aus ihnen herausdenken. Wir müssen sie physisch spüren, um unser Verhältnis zu ihnen zu verändern.
DIGGING THE GROUND bietet in einer Landschaft aus Klang, Text, Gesang und Choreografie auch einen Raum, fühlend und schreibend ins Reflektieren zu kommen. Die Zuschauer:innen sind eingeladen, mit ihren Emotionen in Resonanz zum Gezeigten zu treten. Aus trauma-physiologischer Perspektive bringt Harff uns wieder in Kontakt mit dem Verdrängten, um alternative Handlungsmöglichkeiten zu finden.
Denn erst, wenn unsere Körper Raum haben, die mit den Erinnerungen verknüpften Gefühle auszuhalten, können wir wieder in die Lage kommen, das Notwendige zu tun: ehrlich zu erinnern und zu handeln.